Das Buch “Gingers of Sarawak”
von Dr Axel Dalberg Poulsen bietet eine hervorragende Einführung in
die Welt der Ingwere in Borneo, und ich kann es höchstens empfehlen.
Es kann durch
Natural History Publications
in Sabah bestellt werden. Für den vorliegenden Beitrag habe ich mich
oft an “Gingers of Sarawak” orientiert, und Dr Poulsen hat sich
netterweise die Zeit genommen, den vorliegenden Artikel einzuschauen
um mir meine laienhaften Ingwerbstimmungen in meinen Photos zu
korrigieren.
Wer noch mehr über Ingwere
in Borneo erfahren möchte, speziell über eine der spektakulärsten
Ingwerarten, der sollte sich unbedingt “Etlingera of Borneo,”
vom selben Autor und Verlag anschaffen!

Amomum
kinabaluense - eine Ingwerart die um
Mt Kinabalu heimisch ist |
Die Ingwere
von Borneo
Ingwere haben mich schon immer
fasziniert. Hier in Borneo sind allerdings Ingwere nicht nur Gewürze,
im Gegenteil! Es gibt viel mehr Ingwere die man im Hausbau braucht,
in der Medizin, und auch im Handwerk als in der Küche – etwas, was
meine Touristen immer mit viel « aaah’s » und « oooh’s » begrüßen.
Der Ingwer kurz und einfach (Zingiber officinale) ist
der „offizielle" Ingwer der überall in der Welt als Geürz für
exotische Speisen bekannt ist, und neuerdings auch als Tee mit
vielen guten Eigenschaften erhältlich ist. Die Kurkuma, oder
Gelbwurz (Curcuma longa) ist ebenfalls ein Ingwer, obschon
viele das nicht sogleich erkennen. Der Galgant (Alpinia
galanga) ist eine Ingwerart die vorallem bei denen bekannt ist,
die gerne thailändisch essen. Sein pikanter und farbiger Geschmack
hat nichts mit „normalem“ Ingwer zu tun. Ein anderes Rhizom der
Inwerfamilie das hin und wieder in Borneo angetroffen wird ist der
Kencur (Kaempferia galanga). Er ist auch als
„Lilieningwer“ oder „Gewürzlilie“ wegen seiner grazilen,
lilienähnlichen Blüten bekannt. Sein unvergleichlich blumiges Aroma
hat natürlich wieder absolut nichts mit ordinärem Ingwer zu tun!
Bei den obengenannten Ingweren – Ingwer, Kurkuma, Galgant und Kencur
– wird vornehmlich der Wurzelstock (biologisch: das Rhizom)
verarbeitet, wobei Kurkuma- und Kencurblätter ebenfalls verwendet
werden, manchmal sogar als Salat. Sie geben Fleisch- und
Fischgerichten eine exotische Note ohne allerdings an gemeinen
Ingwer zu erinnern.

Kencur
(Kaempferia galanga), vom Donggongon Tamu |
Bei anderen Ingwerarten sind ganz andere Teile essbar, wobei der
Fackelingwer (Etlingera elatior) vielleicht der
berümteste ist. Es handelt sich um eine im tropischen Regendwald
wild wachsende bis zu fünf Meter hohe Ingwerart, und die Blüte
gehört zu den eindruckvollsten im Urwald. In der Küche wird
normalerweise die Blütenknospe zum würzen von Currys und Tom Yams
verwendet, zum Parfümieren von Fischsuppen und sogar in Salaten
findet man die feingeschnittenen Blütenblätter. Hier in Sabah, wo
der Fackelingwer Tompu heißt, werden auch auf
chinesische Art kurz angebratene Gemüse oft mit diesem Ingwer
gewürzt. Sein Geschmack ist eher stark und ungewohnt, und nicht
immer sofort vom europäischen Gaumen geschätzt. Man findet die
Blütenknospen von Tompu überall auf den Märkten in Borneo. Die
Frucht des Fackelingweres ist auch sehr geschätzt und kann roh mit
etwas Salz als Snack gegessen werden, mit Wasser vermischt als
erfrischende Limonade getrunken werden, oder man kann sogar „Hinava,“
eine Art einheimisches Sushi, damit machen: roher Fisch wird mit den
zerstoßenen Tompu Früchten mariniert, anstelle vom normalerweise
verwendeten Zitronensaft, und dann mit etwas Salz und Chili
ungekocht gegessen. Dann gibt es noch Tuhau (Etlingera
coccinea), ein Ingwergewächs von dem man die Blattstengel
verwendet. Die Blätter werden entfernt und der Stengel wird bis auf
das zarte Mark geschält, welches dann im Mörser zerstoßen wird.
Diese Spezialität wird oft mit Essig und Chilli eingemacht und ist
so beliebt, daß man sie sogar in Supermärkten in Kota Kinabalu
finden kann. Der Geschmack ist allerdings auch etwas ungewohnt und
überraschend, und eher überwältigend. Wer Tuhau schon einmal
probiert hat, der wird die Sensation nie vergessen. Hier wird Tuhau
zum Reis mit anderen Gemüsen gegessen, und man kann es auch auf
jedem Markt und Tamu finden. Kinder hier lieben es auch den Nektar
aus den Blüten von Tuhau zu saugen. Ganz anders als beim
Fackelingwer wachsen die Tuhaublüten allerdings nicht auf einem
Stengel, sondern entspringen direkt der Wurzelknolle.

Blütenstand des
Fachelingweres (Etlingera
elatior) |

Fruchtstand von
Etlingera
elatior (Kg Longkogungan, Sabah) |

Fackelingwerfrüchte in der Zubereitung von hinava (Kg Pongobonon, Sabah) |
Das wären also sechs
Pflanzen in der Ingwerfamilie die hier in Sabah oft in der Küche
anzufinden sind, entweder zum Würzen oder für andere essbare Teile.
Vielleicht sind noch ein paar andere Ingwerarten bekannt, welche
allerdings seltener hier verwendet werden: der Kardamom (Elettaria
cardamomum), die Zitwerwurzel (Curcuma zedoaria)
und die Paradieskörner oder der Malagettapfeffer (Aframomum
melegueta). Jetzt hat aber die Familie der Ingwerge (Zingiberaceae)
über 1200 Arten! Die meisten bevorzugen das feucht-heiße Klima der
tropischen Regenwälder und Borneo kann über 200 Sorten vorweisen.
Viele davon spielen im traditionellen Leben der Einheimischen eine
wichtige Rolle. Man kann, wenn man durch Sarawak reist, zum Beispiel
Ingwerarbeitsmatten finden, welche zum trocknen von Pfefferkörner
und Reis benützt werden: Ingwerstengel der Etlingera Arten
werden entblättert, der Länge nach gespleißt, und dann je nach
Gegend verschieden verarbeitet sodaß bis drei Meter lange, sehr
haltbare Bänder entsehen. Diese werden dann zu groben Arbeitsmatten
oder weichen Schlafmatten verarbeitet, aber auch zu anderem und
feineren Kunsthandwerk. Komischerweise sind in Sabah Ingwermatten
unbekannt, aber die Blätter von Ettlingeras werden für provisorische
Dächer verwendet – zum Beispiel für Hütten in Reisfeldern, die nur
ein Jahr benützt werden. Andere Ingwerarten liefern Blätter um Reis
und andere Speisen einzuwickeln, oder Fasern um erlegtes Jagdgut auf
den Rücken des Jägers zu binden. Es hat auch welche deren Stengel so
stark sind, daß die als Gehstock oder Fischrute benützt werden
können, allerdings nur für einen Tag. Einweg Gehstöcke, sozusagen...

Matten um Reis
und Pefferkörner zu trocknen Rh Kesit, Sg
Lemanak, Sarawak |
Natürlich werden Ingwere auch in der traditionellen Heilkunde
verwendet. Schon der gemeine Ingwer ist bekannt für seine
medizinischen Eigenschaften, und Ingwertee ist überall erhältlich.
Der kommerzielle Ingwertee ist allerdings nie so gut wie der
Selbsgemachte, mit frischem Ingwer. Das einfachste Rezept verlangt
nur nach ein paar Stücken zerdrücktem Ingwer die mit heißem Wasser
übergossen werden. Man kann den Tee – und auch andere mit Ingwer
zubereitete Speisen – mit Honig süßen. Honig paßt hervorragend zu
Ingwer und nimmt ihm etwas die pikante Schärfe. Man kann auch eine
Scheibe Ingwer Schwarztee zugeben, oder sogar Kaffee. Die
Einheimischen von Borneo schwören auf Ingwer weil er den Körper „kühlt“
und „Wind“ aus uns eliminiert. Man darf sich also nicht wundern wenn
man nach ein paar Gläsern Ingwertees mehr Gase als sonst produziert
– und sie natürlich auch ablassen muß... Es gibt allerdings noch
viel mehr gute Eigenschaften der Ingwere, einige davon sind
inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen, andere gehören in die
Volksheilkunde: Behandlung von Infektionen, Lindern von Migränen,
Vorbeugung von Grippe und Husten, Behandlung von Rachenkatarrh,
Vorbeugung bei Reisekrankheit und morgenlichem Erbrechen oder
Übelkeit, und es heißt sogar, daß gemeiner Ingwer ein Aphrodisiakum
sei... Gewisse Ingwersorten wie die der Globba werden hier in
Tinkturen und Ölen bei Rheumatismusschmerzen angwedendet, und andere
finden sich sogar in magischen Tränken und anderen Preparationen um
böse Geister fernzuhalten...!
Ein vielbegehrter
Ingwer hier in Sabah ist jerangau merah (Boesenbergia
stenophylla), ein Ingwer mit sehr ausgeprägten medizinischen
Eigenschaften. Er wird im Falle von Magenbeschwerden,
Lebensmittelvergiftungen und bei Kater angewendet. Hier heißt dieser
Ingwer komburuongoh Sarawak denn er ist heutzutage fast nur
noch im gebirgigen Hinterland von Sarawak anzutreffen. Hedychium
muluense wurde zum ersten Mal 1977 in der Gegend von Mulu,
Sarawak beschrieben, wobei diese Art auch in Sabah gut bekannt ist
und bei Schlangenbissen und Skorpionstichen angewendet wird. Viele
der Etlingera Arten werden ebenfalls für eine Vielfalt von
Infektionen und bei anderen Krankheiten eingesetzt.

Die riesigen
Blätter einer Etlingera Art (Niah, Sarawak) |

Die Blüte und unterer Teil eines Blattes von
Etlingera fimbriobracteata die beide aus dem Rhizom
entspringen(Niah, Sarawak) |
Eine sehr seltene
baumlebende Ingwerart wurde erst kürzlich entdeckt und beschrieben:
Amomum roseisquamosum kennt man bisher nur vom Lambir Hills
Nationalpark nicht weit von Miri in Sarawak.
Mit über 200 Sorten in ungefähr 20 Gattungen, und noch weite Teile
von Borneo unerforscht, ist es nicht verwunderlich, daß es noch
Neuentdeckungen gibt. A roseisquamosum ist ein solches
Beispiel, welches allerdings auch zeigt, daß der extrem endemische
Regenwald – was von ihm noch unangetastet ist – dringend erhalten
werden muß. Hier gibt es Pflanzen und Tiere die in nur einem kleinen
Teil der Insel vorkommen, und nirgendwo sonst auf der Welt! Diese
außerordenliche Flora & Fauna läuft die Gefahr auf immer verloren zu
gehen wenn sie nicht bäldigst besser geschützt wird.

Die
orchideenähnliche Blüte einer Alpinia Sorte Kinabalu National Park |
Zingiberaceae
Ohne ins Detail zu gehen und mit vielen botanischen Griffen
um mich zu werfen hier ein paar Ausführungen: die
Ingwergewächse (Zingiberaceae) sind immergrüne,
aussdauernde krautige Pflanzen die allerdings bis acht Meter
hoch werden können. Alle haben ein Rhizom von welchem
Blattstengel und Wurzeln entspringen. Die Wurzelknolle kann
unterirdisch sein, aber es hat Arten die auf Stelzen stehen
(z.B. Hornstedtia reticulate), andere wiederum sind
epiphytisch, das heißt sie wachsen auf anderen Pflanzen ohne
jedoch Schmarotzer zu sein. Die Blätter sind im Allgemeinen
wechselständig und zweizeilig angeordnet, und die
Blütenstände sind endständige, dickköpfige oder ährige
sogenannte Thyrsen. Die Blütenstände haben eine oder mehrere
hochspezialisierte orchideenähnliche Blüten. Tatsächlich
werden Ingwere hin und wieder mit Orchideen verwechselt,
insbesondere wenn es sich um Alpinia oder
Hedychium Sorten mit ihren eindrucksvollen Blüten
handelt. Blütenstände können auf dem Blattstengel vorkommen,
oder ihren eigenen mehr oder weniger hohen, blattlosen
Stengel haben (z.B. Etlingera elatior). In einigen
Arten scheinen die Blumen direkt der Wurzelknolle zu
entspringen, so reduziert ist der Blütenstengel (z.B. in
vielen Etlingera Varianten). In solchen Fällen kann man
Blüten weit von den Blattstengeln antreffen. Wegen ihren oft
spektakulären Blumen werden viele Ingwerarten in tropischen
Gärten angelegt, und Blumenhändler benützen auch viele
Ingwerarten – Strelitzien und Heliconias gehören übrigens
auch in die Ordnung der Ingwerartige (Zingiberales),
und sind somit mit dem gemeinen Ingwer verwandt...
Ingwerfrüchte sind oft fleischig und dreizählig. Wenn sie
aufplatzen – wie zum Beispiel die Früchte von Hedychium
cylindricum – werden scharlachrote Samen freigelegt, das
heißt die Samen sind eigentlich immer schwarz oder braun,
aber sie sind von einem fleischigen, roten Samenmantel
umgeben. Diese Anordnung zieht Vögel und andere Tiere an,
die die Samen fressen und so die Pflanzen verteilen.

Nicht
etwa die Blüten, sondern die offenen Früchte einer
Hedychium Art Kinabalu National Park |
Eine Vielzahl
von Ingweren werden in der Nahrungsmittelindustrie als
Gewürze verwendet, und andere in der Medizin.
Ingwere spielen auch in der Regenwaldökologie eine sehr
wichtige Rolle, und zwar nicht nur als Nahrungslieferanten
sondern auch als Pionierpflanzen: Ingwere sind unter den
ersten Pflanzen die Erdrutsche bewachsen, sich in Lichtungen
nach Waldbränden niederlassen und die man in brachgelegten
Reisfeldern antreffen kann. Sie verhindern weitere Erosion
und das Auslaugen der bargelegten, dünnen Humusschicht des
Regendwaldes.
Trotz der Bedeutung der Ingwere in der Nahrungsmittel- und
Schnittblumenindustrie, der Regenwaldökologie und deren
vielen Anwendungen sind sie immer noch wenig studiert, und
es fehlen Daten über ihre Verteilung und Erhaltung.
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Quellennachweis
:
- Gingers of Sarawak, a
pocket guide; Dr Axel Dalberg Poulsen,
Natural History
Publications (Borneo), 2006
- Tropical Herbs & Spices
of Malaysia & Singapore; Wendy Hutton, Periplus Editions
1998
-
Wikipedia
- Verschiedene Gespräche
mit Dusun, Murut und Iban in Sabah und Sarawak
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Literaturnachweis :
Ein ganz spezielles
Dankeschön an Dr Axel Dalberg Poulsen, welcher sich die Zeit
genommen hat um den Artikel einzusehen und die Ingwere in meinen
Fotos bestimmt hat. |
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