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Die Rungus
Sabahs traditionellste
Volksgruppe
by Herman (2002-5)
Die Rungus sind ein Stamm – oder politisch korrekter: eine ethnische Einheit –
im Norden von Sabah (malaisisches Borneo), die noch immer in kommunalen
Langhäusern leben. Relativ weit weg von der Hauptstadt Sabahs, Kota Kinabalu,
verbringen die Rungus ein sehr traditionelles Dasein, das hauptsächlich vom
Reis-, Kokosnuß- und Maisanbau geprägt ist. Weite Teile des Nordens Sabahs
bestehen aus Sekundärwald, viele Dörfer sind zu Fuß schneller zu erreichen als
mit dem Auto und Flüße und Bäche sind die einzige Wasserversorgung.
Das Leben im tropischen Regenwald war für die Rungus, wie für alle Eingeborenen
in Borneo, nie leicht. Auch heute noch, trotz Dünger, müßen die Felder täglich
bewirtschaftet werden und damit die Familie zu essen hat muß täglich gefischt
und gejagt werden. Kokosnüße, dessen Fleisch sie verkaufen und Mais und Bananen
sind oft die einzige Geldeinnahme. Man kauft sich damit Zucker, Kaffee und
andere kleine Annehmlichkeiten wie Seife und Süßigkeiten.
Die Arbeit wird von Frauen und Männern, sowie nicht schulpflichtigen Kindern
gleichmässig aufgeteilt. Das Leben ist allerdings auch ein gemütliches. Es gibt
keine Öffnungs- oder Arbeitszeiten, kein Verkehr, kein Telephon und nur wenige
Fernseher. Die Leute bestimmen ihren Arbeitsrhythmus selber, und wenn es ein
Fest zu feiern gibt, dann wird kräftig gefeiert!
Der Druck der Regierung – Sabah gehört seit 1963 zu Malaisien – ist natürlich
sehr groß. Man möchte die Rungus auch gerne in die Verbrauchergesellschaft „integrieren“.
Staatsreligion und auch Christentum tun ihr Bestes die Leute aus ihrem als
faules und heidnisches Tun verkauften Daseins zu jagen. Traditionell sind die
Rungus nämlich Animisten. Für sie ist die Natur belebt, und ihr tägliches Leben
ist noch von Respekt für Mutter Natur geprägt. Die
Bobolizan sind die
Ritualspezialisten der Rungus – es sind fast immer Frauen! In ihrer Genesis
anerkennen sie nur einen Gott, wobei in den Legenden und Mythen ein ganzes
Pantheon zur Erschaffung des Menschen und allem anderen Leben nötig ist.
Für die Rungus ist das Wichtigste im Leben, anderen Menschen keinen Schaden
zuzufügen.
Rungus Tage
GESCHAFFT, gestreßt und gereizt, aber immer neugierig auf das, was das Leben so
mit sich bringt und bedenkend, daß ich in einer außerordentlich glücklichen
Situation für die folgenden Prozeduren war, entschied ich mich an einem
Freitagnachmittag nach der Arbeit auf einen Kleinbus zu springen und nach Kudat
im Norden Sabahs zu fahren. Zwei Stunden Fahrt auf nierenunfreundlichen Straßen
wurden mit einer knapp dreistündigen Wanderung zu einem weit entfernten Rungus
“Langhaus“ belohnt, weit weg von Elektrizität und allem, was im Allgemeinen mit
Zivilisation in Verbindung gebracht wird, oder wenigstens als notwendig für
solche betrachtet wird.
Sozusagen zurück im Mittelalter wurde meine unerwartete aber umso willkommenere
Ankunft mit ernstem Palmweintrinken bis spät in die Nacht gefeiert. Wie es der
Zufall wollte war am folgenden Morgen eine wichtige Zeremonie angesagt, bei der
vier Bobolizan, Rungus Schamaninnen, teilnahmen. Es war noch vor sechs in der
Früh, als einer meiner Freunde der Nacht zuvor kam, und mich drängte, an der
Zeremonie, die gerade im Begriff anzufangen war, teilzunehmen. Ich nehme immer
gerne an animistischen Zeremonien teil, die hier noch zum täglichen Leben
gehören und immer wieder einen interessanten Einblick in das Lebeh hier geben.
Aber muß es gerade heute in der Früh sein, wo ich doch den größten Kater wegen
des Wilkommensfestes zu meinen Ehren habe? Dann widerum war ich aber auch schon
eine ganze Zeit mit dröhnendem Kopf wach gelegen, denn in den Langhäusern kann
man nach fünf nicht mehr schlafen: unter dem Hause jagen sich sehr vernehmlich
Hunde, Hühner und Schweine, und balgen sich hier und dort um ein Stück Fressen,
das vom Frühstück durch den Bambusboden fällt.
Brummend rollte ich also meine Schlafmatte zusammen, bürstete über mein Gesicht und
ging auf wackligen Beinen zum Haus auf der anderen Seite des Dorfpadangs , in
dem die Zeremonie abgehalten werden sollte. Eine Plattform, eigentlich mehr ein
wackeliges Gerüst, war eigens für die Zeremonie gebaut worden. Die
Hohenpriesterin balancierte gerade über die aus zwei dünnen Holzstangen
bestehende etwa zweieinhalb Meter lange Brücke, die das Gerüst mit dem Haus
verband, und stieß zu den drei andere Priesterinnen, die schon auf der Plattform
waren. Einige Helfer hatten bereits verschiedene Opfergaben für die Geister
bereitgestellt: zwei davon waren lebendige, weiße Hähne, die mit Lianenschnüre
an die improvisierte Struktur gebunden waren.
Das Haus, eine „Eigentumswohnung“ von ungefähr 50 Quadratmetern, in welchem
normalerweise etwa fünfzehn Personen wohnen war in Bewegung – wortwörtlich –
denn heute war das Haus belebter als sonst. Kinder der ganzen Nachbarschaft
spragen auf dem elastischen Bambusfußboden hoch und runter; Leute jeden Alters
kletterten die Kerben des Pfostens, der hier als Treppe funktioniert, herauf und
Hunde drängten sich mit eingezogenem Schwanz durch die Menge. Alles in allem
waren sicherlich noch zwei Dutzend andere Familienangehörige und Freunde im
schwankenden Haus.
Wie die Hohenpriesterin auf der Plattform ankam und anfing mit ihrer kräftigen
belcanto Stimme zu singen um die Geister anzurufen, kam vergleichbare Stille
über das Haus. Die Gesänge der Priesterinnen, in deren typischen hohen,
weittragenden Stimmen gesungen, jagen mir jedesmal kalte Schauer über den Rücken.
Jedoch war die Ruhe nur für kurz. Keine fünf Minuten nach Beginn der Zeremonie
hatte der Geist und der Lärm der allgemeinen Versammlung wieder übernommen und
man hörte die Priesterin nur noch zwischendurch.
Wie sich die Hohenpriesterin, von den anderen Schamaninnen begleitet, in Trance
arbeitete und schließlich auch von Geistern besessen wurde, bekam ich plötzlich
die Einladung, zu den Priesterinnen auf ihr wackeliges Gerüst zu steigen. Eine
der alten Frauen auf dem Gerüst, eine Schamanin die eigentlich der
Hohenpriesterin helfen sollte – so stellte ich mir das jedenfalls vor –, hatte
offenbar keinen größeren Drang und kein größeres Vergnügen daran, als mich mit
Palmwein abzufüllen. Das hat meinem Kopf natürlich nicht sehr zugesagt, aber
abzuschlagen wäre gegen die vorherrschenden Sitten gewesen. Also blieb mir
nichts anderes übrig als mich auf die hin und her schwingende Plattform zu
machen. Ein Gerüst das eigentlich nur für die Zeremonie und die vier
Priesterinnen gebaut war, sicherlich nicht noch für ein paar Jungs und einen
weißen Mann. Auf meinem Weg zur Plattform fiel ich auch fast von der Brücke und
stand hart auf den Fuß des Burschen, der mich führte. In meinem Zustand,
anstelle mich beim jungen Mann zu entschuldigen, rutschte: „dein Fuß ist aber
schlüpfrig!“ heraus. Der Junge schaute mich etwas verdutzt an, dann seinen Fuß,
und dann wieder mich. Meine Akrobatik war ja schon komisch genug, aber nach
diesem doppelten Ausrutscher hielten sich alle die Bäuche, und sogar die alten
Priesterinnen lachten kräftig. Unterdessen entschuldigte sich der junge Mann mit
dem „schlüpfrigen Fuß“ nonchalant und half mir wieder auf die Brücke.
Die einzige Person, die sich nicht durch Lachen, Lärm oder mein Zukommen auf der
Brücke beirren ließ, war die Hohenpriesterin. Die Situation war surreal und es
sollte nicht besser werden. Wie ich endlich mit den vier Priesterinnen auf der
knapp bemessenen Plattform stand wagte ich kaum zu atmen. Ein falscher Schritt
und ich hätte die Hohenpriesterin samt Opfergaben und Hähne in den Dschungel
katapultiert. Irgendwie schaffte es aber die eine Schamanin, mir einen riesigen
Topf Palmbier zu füllen und ich hatte keine andere Wahl als ihn in einem Zug zu
leeren. Sofort kam der nächste Topf, was mir aber gewaltig widersprach. Ich
mogelte mich aus der Situation in dem ich den Wein meinem Gefolge weiterleitete.
Die Jungs waren natürlich begeistert, daß sie auch was zu trinken hatten, aber
die Schamanin war von meiner schlechten Trinkleistung sichtlich enttäuscht.
Endlich durfte ich mich zurückziehen. So vorsichtig wie möglich bewegte ich mich
halb rückwärts, halb seitwärts, diesmal ohne Ausrutscher, über die zwei Stangen
ins Haus, das inzwischen zum Bersten voller Leute war, und die Luft war stickig
mit Rauch und Schweiß. Mein Kopf war vom Vorgang dieses Morgens weniger
begeistert als meine Kamera. Das Glas mit Palmbier, das im Haus umherging, war
in direktem Konflikt mit meinem Magen. Ich fand ein kleines Plätzchen,
eingeklemmt wie eine Sardine in der Büchse, zwischen Tellis, einem jungen Freund
von mir, und einem alten, betelkauenden und nach Palmbier stinkenden Herrn. Als
das Glas zum vierten Mal zu mir kam war ich endgültig krank. Ich erklärte meinem
jungen Freund, daß, wenn ich noch einen Schluck trinken müße, ich mich gleich
übergeben müßte. Tellis war sichtlich begeistert und machte mir klar, daß alles
geht, außer weglaufen. Also wurde mir das Glas gereicht, ich trank, und dann,
weil ich mich ja nicht aus dem Haus bewegen konnte, drehte ich mich so diskret
wie möglich um und ergab meinen sehr flüßigen Mageninhalt durch die weit
gesteckten Stäbe, die die „Wände“ der Rungushäuser ausmachen. In diesem Moment
wurde mir klar, warum die Rungushäuser solch spezielle Wände haben. Kommt
nämlich noch dazu, daß die Stäbe schräg vom Boden hoch ins niedere Dach gehen,
man sich also gemütlich anlehnen kann, oder eben, in meinem Fall, sich ergeben
kann ohne die Wand oder den Fuß- und Sitzboden zu beschmutzen. Die Hühner unter
dem Haus haben sich über mein Erbrechen gefreut und jeder im Haus hat mir
zugejubelt. Sofort kam ein Extraglas Palmbier, als Strafe dafür, daß ich mich
erbrochen hatte! Wie dem auch sei, nach der ganzen Prozedur ging es mir
plötzlich - erstaunlicherwiese - ein wenig besser.
Aber der nächste Angriff kam sogleich: die Zeremonie war vorüber und endlich
konnten die Gongs geschlagen werden. In der Enge und in der verstopften,
schwülen Atmosphäre des Hauses schlug das vibrierende Dröhnen der Gongs hart auf
das Trommelfell. In großer Zeremonie traten nun die Priesterinnen in das Haus
ein, begleitet von einem alten Mann in traditioneller Kleidung, komplett mit
buntem Turban und antiken Beads geschmückt. Die kleine Prozession begann den
langsamen, trance-ähnlichen und uralten Tanz der Rungus, begleitet von
dröhnenden Gongs. Wie die erste Runde vorüber war, wurde ich, unübersehbar, aus
der Menge gezogen, und in die schweren, handgewobenen und bestickten
traditionellen Kleider gesteckt. Dann wurde mir der reich verzierte, auch etwas
sehr streng riechende Turban, und die alten Beads mit den Orang Utan Knochen
verpaßt. Dann war ich an der Reihe die Schamaninnen im Tanz zu leiten, und die
Dorfältesten fingen wieder mit neuem Elan an, ihren zeitlosen, mystischen
Rhythmus auf den donnernden Gongs zu spielen. Ich war mir der großen Ehre, die
mir Zuteil wurde, durchaus bewußt, und somit versuchte ich mein Bestes.
Irgendwie war es dann aber doch nicht ganz so wie es sich die Hohenpriesterin
vorstellte, die sich gerade hinter mir befand. Sie nahm meine Schultern in ihre
kräftigen Hände um mir die Schritte vorzuführen. Erst viel später wurde mir
gesagt, daß die Hohenpriesterin blind war!
Nach dem Tanz durfte ich die verschwitzte Uniform einem von mir ausgewählten
Teilnehmer verpassen, der dann den Tanz weiterführen mußte. Ich suche mir
meistens jüngere Leute aus, damit die auch mal zum Zuge kommen – nicht nur beim
Trinken! Das gute bei diesen Rungus Tanzregelungen ist, daß die Aufgeforderten
nicht ablehnen dürfen. Tellis war mir zwar entwischt, aber wie ich endlich mein
„Opfer“ erkoren hatte und mich wieder zu den Trinkenden setzen durfte, war er
plötzlich wieder an meiner Seite. Er fand, daß ich mich ziemlich gut anpasste,
vor allem wenn es ums Trinken ging. Ich nahm es als Kompliment.
Irgendwann war das Palmbier fertig. Aber das hieß nicht, daß man mit dem Trinken
fertig gewesen wäre! In geordneter Formation sind alle abgezogen: auf wackeligen
Beinen den wackeligen Treppestamm runter und zielstrebig auf ein anderes Haus im
Dorf zu, um es sogleich zu besetzen. Irgendwer hat immer Palmbier, und heute war
ein Feiertag! Im neuen Haus wurden wir, geleitet vom Hausbesitzer, gutgelaunt
von seiner Frau und Großmutter empfangen und sofort „beweint“. Dann wurde aber
die Frage nach Essen immer dringender – man erinnere sich, es war früh am Morgen
wie wir anfingen zu trinken und inzwischen war es nur knapp Mittag. Plötzlich
hatte Salim eine Idee: „Warum nicht ein Ferkel schlachten?“ Das fanden alle
toll, nur der Hausbesitzer guckte etwas besorgt drein, denn er konnte keines
offerieren. Er hatte keine Schweine mehr, die sind schon bei anderen
Trinkgelagen draufgegangen! Es wurde also eifrig verhandelt, was zu machen wäre,
und die Lösung lag bald auf der Hand: ein Ferkel mußte gekauft werden. Ein
Nachbar fand sich bereit, eines seiner Ferkel gegen Geld zu verkaufen. Er wollte
RM 25,00 , ein fast übertriebener Preis für ein Schweinchen und solch eine
Auslage mußte natürlich seriös besprochen werden. Nach einer Stunde hektischer
Verhandlungen hatten wir dann aber genug Bargeld zusammen. Ich hatte sechs
Ringgits zum Erwerb des Tieres beigesteuert und noch einmal fünf für eine
weitere Gallone Palmwein. Eine so stolze Summe zu investieren machte mich zum
König des Tages und damit nahm ich mir das Recht, zu sehen wie das Schwein
zubereitet wurde. Von der Tötung zur Pfanne.
Die ganze Zubereitung zu erleben setzt einen guten Magen voraus. Man muß aber
verstehen, daß wir uns mitten im Dschungel befanden, in einem Bambushaus mit
Palmdach, ohne Strom oder fließendem Wasser. Hygiene und Nahrungsmittelgesetze
nehmen hier ganz andere Formen an. Das Rezept ein Ferkel in obengenannten
Verhältnissen zuzubereiten ist wie folgt:
Man halte das Ferkel nieder und führt schnell, mit einer sicheren und geübten
Hand, ein scharfes Gerät hinter einem Vorderbein ein. Das Ferkel sollte
innerhalb einiger Minuten, und relativ lautlos, tot ausgeblutet sein. In der
Zwischenzeit bereitet man ein flammendes Feuer auf dem Herd vor. Man wirft das
Ferkel in die Flammen und versengt seine Borsten. Mit einer Machete wird die
Haut - um alle Borsten und Haare loszuwerden - wiederholt abgeschabt. Wenn das
Tier sauber ist werden die Beine abgeschnitten und beiseite gelegt.
Nun öffnet man den Bauch des Tieres um die Därme und andere Eingeweide zu
entfernen. Die Därme kann man für eine Suppe benutzen, und wenn solches
gewünscht ist, müssen dieselben sehr gut gewaschen werden, indem man sie
umstülpt.
Auf dem Fußboden, oder wenn vorhanden, auf einem hölzernen Schnittbrett wird die
Karkasse des Ferkels in faustgroße Stücke zerhackt. Bei dieser Prozedur muß man
Hunde und andere domestizierte Tiere fernhalten. Über dem Feuer sollte nun in
einem großen Wok oder sonst in einem dichten Gefäß Wasser kochen. Man spült das
Schweinefleisch kurz ab und wirft es sogleich in das kochende Wasser, zusammen
mit den Beinen. Man läßt das ganze gut durchkochen und serviert es mit Chili und
Zitrone.
Es ist ein einfaches Rezept, aber ich denken, daß ich nie eine köstlichere
Schweinefleischsuppe gehabt habe. Da war keine Prise Salz und kein Kraut in
dieser Suppe, und dennoch war sie absolut köstlich und sicherlich sehr gesund.
Für mich, da ich ja so viel bezahlt hatte, wurde ein ganzes Hinterbein
aufgehoben, das schließlich in der Holzkohle gebraten wurde. Glücklich, ja
geradezu verklärt, stand ich mit der gebratenen Keule in der rauchigen Küche und
nagte an dem gegrillten Fleisch und an den Knochen. Auch ich hatte Chili und
Zitrone als einzige Würze, eine kulinarische Offenbarung!
Ein Rungus Fest endet dann, wenn alle - bis auf den letzten Beteiligten -
gemütlich auf dem Boden schnarchen. Auch ich wurde irgendwann vom Schlaf und den
Ereignissen übermannt. Palm- und Maisbier haben es in sich. Mitten in der Nacht
wachte ich mit einem schweren Kopf auf und legt mich ein paar Zimmer weiter
vorne im Haus nieder, dort wo ich eigentlich schlafen sollte – wobei auch das
nicht so eine Rolle spielt.
Wir wurden alle von einem prachtvollen Sonntagmorgen geweckt, obschon ich es
etwas schwierig fand, die Stimmung zu genießen. Viele Leute, mit denen ich am
Abend zuvor gezecht hatte, machten sich auf den Weg in die Felder. Das Fest war
vorüber, der Alltag hatte uns wieder. Betelnuß im Mund, den Blick starr vor
sich, verrieten ihre Gesichter nicht, welch Kater im Kopf herrscht und insgeheim
war ich dankbar, daß ich nicht ihre Arbeit teilen mußte. Also genoß ich den
Morgen, ließ den Tag verrinnen und am Spätnachmittag, wie die Leute langsam von
den Feldern zurückkamen, mit schwer beladenen Rucksäcken, habe ich mich zu den
Jungs gesellt, die Fußball spielten. Nach einem heißen und harten Tag in den
Feldern wundere ich mich immer, wie die Leute hier noch die Energie haben,
Fußball oder Sepak Takrow zu spielen. Naja, die Frauen, die genauso im Feld
waren (und wahrscheinlich harter arbeiteten als die Männer) haben ja auch noch
die Energie das Abendessen zu kochen! Nach dem Essen, welches aus Reis, etwas
Fisch und einem Salat aus Bananenstamm bestand, hat der Hausherr einen Krug
Palmbier hervorgezaubert (und ich dachte wirklich, es wäre nach diesem
Wochenende nichts mehr zu finden!). Langsam ging das Glas von Mund zu Mund und
der Hausherr erzählte uns eine Geschichte, halb Legende, halb Wahrheit, von lang
vergessener Zeit, als die Geister, die die Natur beleben, noch mit allen
Menschen verkehrten. Aber die Menschen waren gierig und wollten besser sein als
die Geister, und so zogen sie sich zurück. Deswegen ist das Leben nun so schwer
für die Menschen und nur noch die Priesterinnen können jetzt direkt Kontakt mit
den Geistern aufnehmen. Wie eine Öllampe nach der anderen ausging wurde es immer
dunkler im Haus. Ich legte mich nieder, und durch ein Loch im Palmdach
betrachtete den Nachthimmel, übersät mit funkenden Sternen. Das schwere Leben
und manche der Erlebnisse dieses Wochenendes gingen mir durch den Kopf.
Schließlich fiel auch ich in einen tiefen, woltuhenden Schlaf, begleitet vom
Konzert der nie ruhenden Zikaden im Dschungel.
Gegen fünf wurde ich geweckt. Frisch gestärkt und voll von neuer Ideen und
Geschichten machte ich mich auf den Weg, das einzige Fahrzeug aus dem Dorf zu
erwischen. Gegen Mittag würde ich wieder in Kota Kinabalu sein, im rauschenden
Verkehr, dem Stau und der Luftverschmutzung. Das Leben ist nirgendwo leicht... |
  
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